Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen: So sichern Sie Ihren Anteil am Erbe

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB ist ein zentrales Instrument des Erbrechts, das sicherstellt, dass Pflichtteilsberechtigte nicht durch Schenkungen des Erblassers benachteiligt werden. Der Beitrag beleuchtet, was es mit diesem Anspruch auf sich hat, wer davon profitieren kann und wie die Berechnung erfolgt.

Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Wenn der Erblasser Vermögen verschenkt, bevor er stirbt, reduziert sich der Nachlass, aus dem der Pflichtteil berechnet wird. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch sorgt dafür, dass solche Schenkungen bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt werden und die Pflichtteilsberechtigten nicht leer ausgehen.

Der Anspruch bezieht sich auf alle Schenkungen, die der Erblasser innerhalb von zehn Jahren vor seinem Tod gemacht hat. In bestimmten Fällen, wie bei Schenkungen zwischen Ehegatten, kann die Frist jedoch erst mit der Auflösung der Ehe zu laufen beginnen.

Wer ist anspruchsberechtigt?

Anspruchsberechtigt sind alle Personen, die grundsätzlich einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch haben. Aber auch derjenige, der die Erbschaft ausgeschlagen hat, kann – wenn er zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehört – einen Pflichtteilsergänzungsanspruch haben. Zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten zählen:

  • Kinder des Erblassers (einschließlich Adoptivkinder),
  • Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner,
  • Eltern des Erblassers, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind.

Gegen wen richtet sich der Anspruch?

Primär richtet sich der Anspruch gegen die Erben. Sollte der Nachlass nicht ausreichen oder die Erben nicht leistungsfähig sein, können die Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenks direkt gegen die Beschenkten geltend machen. Der Beschenkte kann jedoch die Herausgabe durch Zahlung abwenden.

Wie wird der Pflichtteilsergänzungsanspruch berechnet?

Die Berechnung erfolgt anhand der sogenannten „fiktiven Erbmasse“. Hierbei wird der Wert der Schenkungen dem tatsächlichen Nachlass hinzugerechnet, um die Grundlage für die Pflichtteilsberechnung zu schaffen.

Staffelung der Schenkungen

Nach § 2325 Abs. 3 BGB unterliegt der Wert von Schenkungen einer Abschmelzungsregel:

  • Im ersten Jahr nach der Schenkung wird der volle Wert berücksichtigt.
  • Danach verringert sich der anrechenbare Wert pro Jahr um 10 %.
  • Nach zehn Jahren bleibt die Schenkung unberücksichtigt.

Bei Schenkungen an Ehegatten beginnt die Frist jedoch erst mit der Auflösung der Ehe.

Bewertung von Schenkungen

Für die Bewertung von Schenkungen unterscheidet das Gesetz:

  1. Verbrauchbare Sachen: Der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung ist maßgeblich.
  2. Nicht verbrauchbare Sachen: Es gilt der niedrigere Wert entweder zum Zeitpunkt der Schenkung oder zum Todeszeitpunkt des Erblassers.

Beispiel: Hat der Erblasser ein Haus fünf Jahre vor seinem Tod verschenkt, wird der halbe Wert der Immobilie in die Berechnung einbezogen (50 % aufgrund der Abschmelzung).

Besonderheiten und Grenzen

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist komplex und birgt oft Streitpotenzial. Wichtige Aspekte:

  • Schenkungen unter Vorbehalt von Nutzungsrechten: Solche Schenkungen (z. B. mit Nießbrauchsvorbehalt) verzögern den Beginn der Zehnjahresfrist.
  • Verjährung: Der Anspruch verjährt grundsätzlich nach drei Jahren ab Kenntnis der Schenkung und des Erbfalls. Achtung: richtet sich der Anspruch auf Herausgabe des Geschenks gegen den Beschenkten selbst, beginnt die Verjährung taggenau mit dem Tod des Erblassers.

Fazit

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch schützt Pflichtteilsberechtigte vor Benachteiligungen durch Schenkungen des Erblassers und sorgt für einen fairen Ausgleich. Für Erben und Pflichtteilsberechtigte ist es ratsam, sich frühzeitig mit den rechtlichen Rahmenbedingungen vertraut zu machen, um Streitigkeiten zu vermeiden.

Bei Fragen oder Unsicherheiten kann eine rechtliche Beratung helfen, die individuellen Ansprüche zu klären und die beste Vorgehensweise zu ermitteln.

Pflichteilsverzicht kann nur persönlich vereinbart werden

Unwirksamkeit eines Pflichtteilsverzichtsvertrages aufgrund formaler Fehler

In seinem Urteil vom 20. November 2024 (Az. IV ZR 263/23) entschied der Bundesgerichtshof (BGH) über die Haftung eines Notars für die fehlerhafte Beurkundung eines Pflichtteilsverzichtsvertrages. Die Klägerin, Alleinerbin eines landwirtschaftlichen Hofes, klagte auf Schadensersatz, nachdem sich herausstellte, dass der Vertrag wegen eines Formverstoßes unwirksam war.

Der Streit drehte sich um die Vorschrift des § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (nun § 2347 Satz 1 BGB). Diese besagt, dass ein Pflichtteilsverzicht nur dann wirksam ist, wenn der Verzichtende und der Erblasser den Vertrag persönlich vor dem Notar abschließen. Im vorliegenden Fall war der Erblasser jedoch bei der Beurkundung nicht anwesend. Stattdessen wurde er durch eine nicht bevollmächtigte Person vertreten. Auch eine nachträgliche Genehmigung durch den Erblasser konnte den Formmangel nicht heilen, da die Vorschrift zwingend persönliche Anwesenheit verlangt. Der BGH stellte daher fest, dass der Pflichtteilsverzicht samt zugehöriger Abfindungsvereinbarung insgesamt nichtig war.

Die Nichtigkeit führte dazu, dass die Klägerin nach dem Tod ihres Vaters Pflichtteilsansprüchen ihrer Schwester ausgesetzt war, die die gezahlte Abfindung von 30.000 Euro deutlich überstiegen. Der BGH lehnte auch eine Umdeutung des unwirksamen Pflichtteilsverzichts in einen Erbschaftsvertrag gemäß § 311b Abs. 5 BGB ab, da keine Anhaltspunkte für einen solchen Parteiwillen vorlagen.

Konsequenzen für die Praxis

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass bei der Beurkundung von Pflichtteilsverzichtsverträgen strenge Formvorschriften zu beachten sind. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen kann nicht nur die Unwirksamkeit des Vertrages zur Folge haben, sondern auch Schadensersatzansprüche gegen den Notar begründen.

Fazit: Notare sollten bei der Beurkundung erbrechtlicher Verträge besonders sorgfältig vorgehen, um Rechtsnachteile für die Beteiligten zu vermeiden. Das Urteil stärkt die Rechte von Erben, die auf die korrekte Amtsführung vertrauen.

Pflichtteilsanspruch und Güterstand


Der Pflichtteilsanspruch: Quoten bei Zugewinngemeinschaft und Gütertrennung

Das deutsche Pflichtteilsrecht stellt sicher, dass bestimmte Angehörige trotz Enterbung einen Mindestanteil am Nachlass erhalten. Der Pflichtteil beträgt grundsätzlich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Doch wie hoch ist dieser Anspruch, wenn Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft oder Gütertrennung leben?

Zugewinngemeinschaft

Die Zugewinngemeinschaft ist der gesetzliche Güterstand. Beim Tod eines Ehepartners erhält der überlebende Ehegatte neben den Erbquoten auch einen pauschalen Zugewinnausgleich, der automatisch durch eine Erhöhung der gesetzlichen Erbquote erfolgt. Statt 1/4 erhält der Ehegatte 1/2 des Nachlasses, wenn Kinder vorhanden sind.

Beispiel:

  • Gesetzlicher Erbteil bei Zugewinngemeinschaft (mit Kindern): 1/2
  • Pflichtteil: 1/4 des Nachlasses

Ohne Kinder, aber mit Eltern oder Geschwistern des Verstorbenen, beträgt der gesetzliche Erbteil des Ehegatten 3/4, der Pflichtteil entsprechend 3/8 des Nachlasses.

Gütertrennung

Bei Gütertrennung erfolgt keine pauschale Erhöhung der Erbquote. Der gesetzliche Erbteil des Ehepartners hängt von der Anzahl der Kinder ab:

  • Mit einem Kind: 1/2
  • Mit zwei Kindern: 1/3
  • Mit mehr als zwei Kindern: 1/4

Der Pflichtteil beträgt jeweils die Hälfte dieser gesetzlichen Quoten.

Beispiel:

  • Mit einem Kind: Gesetzlicher Erbteil 1/2 → Pflichtteil 1/4 des Nachlasses
  • Mit zwei Kindern: Gesetzlicher Erbteil 1/3 → Pflichtteil 1/6 des Nachlasses

Fazit

Der Pflichtteilsanspruch hängt eng mit dem Güterstand und den gesetzlichen Erbquoten zusammen. Während die Zugewinngemeinschaft für Ehepartner häufig vorteilhafter ist, da der Pflichtteil durch die Erhöhung der Erbquote steigt, bleibt bei Gütertrennung alles strikt an der Anzahl der Erben orientiert.

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